Luigi Fraccari wurde 1909 in der Nähe der
italienischen Provinzhauptstadt Verona
geboren, studierte Theologie und wurde 1932
zum katholischen Priester geweiht. Nachdem
er einige Jahre in seiner Heimat als
Seelsorger tätig gewesen war, gaben der
Krieg und seine Folgen dem Leben Fraccaris
eine neue Orientierung.
Als Italien sich nach der Entmachtung
Mussolinis im Kriegsjahr 1943 von der
"Achse" löste und sich den Alliierten
zuwandte, fasste Fraccari den Entschluss,
nach Deutschland zu gehen und sich hier um
das Schicksal seiner Landsleute zu kümmern.
Der Bruch Italiens mit Deutschland hatte ja
zur Folge, dass die Angehörigen der
einstmals verbündeten Armee entwaffnet, in
deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren
oder als Zivilpersonen in deutsche
Internierungslager eingewiesen wurden.
Im Mai 1944 traf Fraccari in Berlin ein und
errichtete ein Büro für die
Kriegsgefallenen. Er kümmerte sich um die
internierten, kranken und verletzten
Italiener und wurde rechte Hand des
päpstlichen Nuntius Orsenigo. 1945 wurde Don
Luigi mit der Seelsorge für die Italiener im
russisch besetzten Teil der Stadt beauftragt
und richtete zudem im Westteil der Stadt, in
Berlin-Wilmerdorf, eine Betreuungsstelle
ein. Er war der einzige offiziell in
Deutschland verbliebene italienische
Priester. Als Generaldelegierter des
italienischen Roten Kreuzes, bei den
Amerikanern in Frankfurt am Main
akkreditiert, war es zu der Zeit auch die
einzige anerkannte italienische "Behörde" in
Berlin.
Bis zu seiner Rückkehr in die Heimat 1979
war Fraccari ein äußerst engagierter und
agiler Vermittler und Organisator, der die
Italiener Berlins zusammenbrachte. Mitten im
Prenzlauer Berg hatte er einen Ort
etabliert, an dem sich die Italiener aus
allen Teilen der Stadt treffen konnten. Da
er selbst nach 1953 nicht mehr als
Seelsorger in der DDR tätig sein durfte, lag
sein Arbeits- und Lebensschwerpunkt aber im
Westteil Berlins.
Im Laufe seiner Arbeit hatte Fraccari die
Idee entwickelt, ein "casa rifugio", ein
Zufluchtshaus für bedürftige italienische
Waisenkinder, für Alte und Alleinstehende zu
gründen. Da es ihm für das Vorhaben am
nötigen Geld fehlte, wandte er sich an Papst
Pius XII. und erhielt in einer Privataudienz
von diesem das nötige finanzielle
Startkapital für sein Vorhaben. In einer
Villa in der Sophie Charlotte Straße in
Berlin-Zehlendorf fand Fraccari das
geeignete Haus für sein Projekt.
"Casa Pio XII.", Haus Pius XII. wurde im
Dezember 1949 mit einem großen Fest für alle
italienischen Kinder Berlins eröffnet und
ein Jahr später offiziell eingeweiht. Im
Erdgeschoss waren zwölf italienische
Waisenkinder, im oberen Stockwerk 14 ältere
Menschen untergebracht. Im Dezember 1959
wurde die Stiftung um das Nachbargrundstück
mit einem Einfamilienhaus erweitert.
Fraccari organisierte auch
Urlaubsaufenthalte im Haus Pius. Während der
Sommermonate verbrachten manchmal bis zu 80
italienische Kinder ihre Ferien im Haus. Da
sie meist deutsche Mütter hatten, war das
Haus dann von sächsischen und
mecklenburgischen Lauten erfüllt.
Italienisch mussten die Kinder erst in
eigens organisierten Sprachkursen lernen.
1950 gründete Fraccari auch die Missione
Cattolica Italiana, deren Aufgabe es war,
Einwanderern und allen anderen Italienern in
Berlin religiösen Beistand zu vermitteln. Im
gleichen Jahr holte er sogar italienische
Ordensschwestern zur Betreuung der Bewohner
von Haus Pius nach Berlin. Noch heute wirken
die "sorelle della misericordia", die
Schwestern der Barmherzigkeit aus Verona, im
übrigens auch von Don Luigi erworbenen, 130
Seniorenplätze umfassenden Karl-Steeb-Heim
in der Hagenstraße in Berlin-Grunewald.
Fraccari kümmerte sich aber nicht nur um die
Überlebenden, sondern auch um die
Verstorbenen. So sorgte er dafür, dass
verstreut begrabene Kriegsgefallene,
verstorbene Internierte und von den Nazis
ermordete Zwangsarbeiter 1953 auf einem
italienischen Ehrenfriedhof umgebettet
wurden. Der "cimitero militare italiano" auf
dem Zehlendorfer Waldfriedhof an der
Potsdamer Chaussee ist so auf 18.000
Quadratmetern für 1177 Kriegstote zur
letzten Ruhestätte geworden.
Für seine engagierte und couragierte Arbeit
in Deutschland erhielt Don Luigi Fraccari
zahlreiche Auszeichnungen. 1957 verlieh ihm
der italienische Staatspräsident den Stern
der Solidarität, eine hohe Auszeichnung für
besonders verdiente Mitbürger. 1965 wurde er
in Italien zum Ritter der Ehrenlegion
ernannt, von Papst Pius XII. wurde ihm der
Titel Monsignore verliehen. 1974 erhielt er
für sein Wirken um die deutsch-italienische
Verständigung zusammen mit Prof. Carlo
Schmid den de Gasperi Preis.
Im Laufe der Jahre zeigte sich eine immer
deutlicher werdende Veränderung der
soziologischen Struktur der italienischen
Gemeinde. Die mehr als 6.000 in Berlin
lebenden Italiener, etwa 300 von ihnen
lebten in Ost-Berlin, bildeten keine echte
Kolonie mehr. Viele waren in Berlin heimisch
geworden und fühlten sich nicht mehr
gesellschaftlich isoliert.
1978 zogen die letzten Heimbewohner aus Haus
Pius aus. Es waren nur noch ein Kind und
zwei alte Damen übriggeblieben.
Gesundheitliche Gründe zwangen Don Luigi
schließlich, am 1. Juni 1979 in den
Ruhestand zu treten. Nach 35 Jahren kehrte
er in seine italienische Heimat zurück. Am
24. Januar 2000, seinem 91. Geburtstag, ist
er in Sant' Ambrogio di Valpollicella in der
Nähe von Verona gestorben. Bis zuletzt hatte
er an der Entwicklung der von ihm gegründeten Einrichtung Anteil genommen und
auch durch verschiedene Besuche seine
bleibende Verbundenheit mit den beiden
Häusern der Stiftung zum Ausdruck gebracht.
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